Thereus

Thereus ist eine Gestalt der griechischen Mythologie. Er ist ein Kentaur, der bei Diodor durch Herakles, bei Ovid durch Theseus getötet wird. Nur Ovid widmet ihm eine Annotation, woraus sein Name abgeleitet werden kann.

Name

Das griechische Θηρεύς, Thē-reús legt die Betonung auf die letzte Silbe, das lateinische und deutsche Thé-reus auf die vorletzte (erste), da im Lateinischen die letzte Silbe nie betont wird (Pänultimaregel).

Der Name kommt wie seine Varianten Τηρεύς, Tereús und Τήρησ, Téres aus Thrakien,[1] der mythologischen Heimat der Kentauren.

Roscher nennt den Namen „anstößig“[2], da er nicht in das gängige Muster der Kentaurennamen passe, die man zum überwiegenden Teil etymologisch aus ihrem tierischen Charakter, ihrer Wild- und Ungezügeltheit, Grausam- und Übermütigkeit ableiten könne.[3]

Im Namen steckt das θήρ, Thér, Tier. Er ist etymologisch entweder verwandt mit θήρειος, théreios, wild, ungezähmt oder mit θηρευτήσ, thereutés, Jäger, jagend. Für letzteres spricht, dass Ovid den Thereus in einem Zusatz als einen beschreibt, „der in den hämonischen Bergen | Bären zum öfteren fing und lebendig die brummenden heimtrug.“[4]

Mythos

Diodor (1. Jahrhundert v. Chr.) nennt im Rahmen des herakleischen Sagenkreises seinen Namen: Herakles wird auf seiner Jagd nach dem Erymanthischen Eber von einer Gruppe Kentauren angegriffen. Er kann sich derer erwehren und tötet einige mit Pfeil und Bogen, darunter den Thereus: „Unter den umgekommenen Zentauren sind die bekanntesten Daphnis, Argeus und Amphion; sodann Hippotion, Oréus, Isoples und Melanchates; ferner Thereus, Dupon und Phrixus.“[5] Der Name taucht auf, einer unter vielen, das ist alles.

Theseus erschlägt einen Kentauren.

Ovid (1. Jahrhundert v. Chr./1. Jahrhundert n. Chr.) greift in seiner Kentauromachie den Namen auf und charakterisiert ihn als Bärenfänger: Theseus tötet mit einem Eichenpfahl eine Gruppe Kentauren, darunter den Thereus: „Dann schlägt nieder das Holz (des Theseus) den Nedymnus, den Schützen Lykotas, / Hippasus, welchem die Brust von wallendem Barte bedeckt war, / Ripheus, der mit dem Leib noch über die Wipfel der Wälder / ragete, Thereus auch, der in den hämonischen Bergen / Bären zum öfteren fing und lebendig die brummenden heimtrug.“[6]

Bei Ovid ist er nicht mehr nur das tierische Doppelwesen, das ungezähmt wütet und einfach nur getötet werden muss, sondern eine Persönlichkeit, ein Jäger mit durchaus menschlichen und humorvollen Zügen.

Thereus pedusa

Rezeption

  • Thereus (Planet): Ein 2001 entdeckter Kleinplanet wurde nach ihm benannt, der Zentauren-Asteroid mit der Nummer 32532.
  • Thereus (Schmetterling): Name einer Gattung von Schmetterlingen mit hauchdünnen Flügeln aus der Familie der Lycaenidae, 1819 benannt von Jacob Hübner.

Quellen

  • Diodor 4, 12, 7: τῶν δ᾽ ἀναιρεθέντων Κενταύρων ὑπῆρχον ἐπιφανέστατοι Δάφνις καὶ Ἀργεῖος καὶ Ἀμφίων, ἔτι δὲ Ἱπποτίων καὶ Ὄρειος καὶ Ἰσοπλὴς καὶ Μελαγχαίτης, πρὸς δὲ τούτοις Θηρεὺς καὶ Δούπων καὶ Φρίξος.
  • Ovid, Metamorphosen 12, 350–354: robore Nedymnum iaculatoremque Lycopen | sternit et inmissa protectum pectora barba | Hippason et summis exstantem Riphea silvis | Thereaque, Haemoniis qui prensos montibus ursos | ferre domum vivos indignantesque solebat.

Literatur

  • Anneliese Modrze: Thereus. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band V A,2, Stuttgart 1934, Sp. 2367.
  • Wilhelm Pape: Wörterbuch der griechischen Eigennamen, Verlag Vieweg, Braunschweig 1875, books.google.de, Seite 507: Thereús, Seite 1519: Tereús, Téres.
  • Wilhelm Heinrich Roscher: Die Kentaurennamen bei Ovidius’ Metamorphosen 12, 220–499. In: Alfred Fleckeisen (Herausgeber): Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik, Band 105, Verlag Teubner, Leipzig 1872, archive.org, Seite 421–428.
  • Wilhelm Heinrich Roscher: Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie, Verlag Teubner, Leipzig 1916–1924, Band 5, Spalte 654, archive.org.
  • Reinhart Suchier: Ovids Metamorphosen, Dritter Teil, Verlag Krais & Hoffmann, Stuttgart 1862, deutsche Übersetzung books.google.de, Seite 45.
  • Julius Friedrich Wurm: Diodor’s von Sicilien historische Bibliothek, Erstes Bändchen, Verlag Metzler, Stuttgart 1827, deutsche Übersetzung, books.google.de, Seite 379.

Fußnoten

  1. Pape, Seite 1519 unter den betreffenden Namen.
  2. Roscher, Seite 499.
  3. Roscher, Seite 421–426.
  4. Ovid, Metamorphosen 12, 353–354, Übersetzung Wurm; so auch Roscher S. 428: „Und spreche diese Vermutung um so zuversichtlicher aus, da der Zusatz des Ovid Haemoniis qui prensos montibus ursos | ferre domum vivos indignantsque solebat wahrscheinlich eben durch die Bedeutung jenes Namens veranlasst war.“
  5. Diodor 4, 12, 7; Übersetzung Wurm, Original siehe Quellen.
  6. Ovid, Metamorphosen 12, 350–354, Übersetzung Suchier, Original siehe Quellen.